Wetterstationen


Ein respektables Ärgernis erreichte aus dem Heise-Verlag den Schreibtisch unserer Rezensentin. Es handelt sich um ein Machwerk der sattsam bekannten Josella Simone Playton, mit deren Traktaten die Leserschaft verschiedener Fachzeitschriften schon in der Vergangenheit konfrontiert wurde. Anstatt konstruktive Kritik zum Anlaß zu nehmen, sich auf das ureigenste Betätigungsfeld der Frau (Küche und Bett) zurückzuziehen und dort Schadensbegrenzung zu treiben, wagt es Frau Playton, dem Literaturbetrieb in diesem unserem Lande erneut massiv und provokativ zu Leibe zu rücken.

Es handelt sich um ein Büchlein mit Kurzgeschichten. 'Wetterstationen' ist der Titel, und die Titel der einzelnen Stories klingen alle so ähnlich. Statt hinter diesem Titel irgendeine Art von geistreichen Metaphern zu vermuten, sollte die Leserin lieber gleich davon ausgehen, daß tatsächlich in allen Fällen ganz konkret und banal Wetterstationen gemeint sind.

Die erste Story, 'Wetterstation' (Singular!), entführt die Leserin auf Balmer's Planet. Als ob es auf der Erde nicht schon Probleme genug gäbe, wird nach 'Perry-Rhodan' - Manier der Handlungsort in eine entfernte Gegend unserer Milchstraße gelegt. Eine obskure Organisation, die als 'Flotte' bezeichnet wird, betreibt dort eine Wetterstation, die de facto mehr einer getarnten militärischen Einrichtung entspricht. Daß politische Gebilde, die sich über Tausende von Lichtjahren erstrecken, aus Gründen, die schon Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts bekannt waren, nicht denkbar sind, scheint Frau Playton nicht zu interessieren. Die Kenntnis der Grundlagen der Relativitätstheorie sollten einer selbsternannten SF-Schreiberin eigentlich in Fleisch und Blut übergegangen sein. Aber wahrscheinlich hält sie Einstein und Lorentz und Sänger für Biermarken oder kanadische Flüsse oder für Leute, deren Höflichkeit schweigt.

Diese Wetterstation wird nur von einer einzigen Frau bewohnt und verwaltet. Wir erfahren nicht viel über sie. Es handelt sich um eine gewisse Doktor Sabine Daniels, eine Meteorologin im Majorsrang. Ihr Alter wird mit 28 Jahren angegeben, was darauf schließen läßt, daß sie als Berufsanfängerin zu bezeichnen ist. Wieso einer einzigen, dazu noch unerfahrenen Person das Kommando über eine, wie sich im weiteren Verlauf der Story noch herausstellt, sehr teure militärische Einrichtung übertragen wird, entbehrt jeder Plausibilität. Wahrscheinlich kennt Frau Playton den Betrieb einer militärischen Einsatzstellung aus eigener Anschauung nicht. Man ist geneigt, ihr diese Unerfahrenheit in diesem Lebensbereich zugute zu halten. Wie aber kommt es dann, daß die Einrichtungen dieser Wetterstation mit teilweise nervenaufreibender Präzision beschrieben werden? Hätte man die eigene Unkenntnis nicht hinter etwas mehr Allgemeinheit verschleiern können?

Der Grund der Frau Daniels, diese zweijährige Dienstzeit in völliger Isolation abzuleisten, bleibt dunkel. Wir erfahren vage etwas über irgendwelche 'gescheiterten Beziehungskisten', die man mit einem derartigen Assignment vermeiden kann, und von einem im Hintergrund (wo ist das?) stetig anwachsenden Gehaltskonto sowie guten, späteren beruflichen Aussichten im Zivilleben. Wahrscheinlich vermeidet Frau Playton die schlüssige und genaue Zeichnung einer Persönlichkeit aus dem einfachen Grunde, weil sie dieses einfach nicht kann. Auch wie das Gehalt eines Majors aussieht, darüber scheinen bei ihr völlig überzogene Vorstellungen zu herrschen.

Hingegen glaubt Frau Playton, daß die Leserin an den Gewichtsproblemen der Frau Daniels interessiert ist. Wir wollen aber nicht zu hart mit Frau Playton ins Gericht gehen - die Beschreibung der Verpflegung im Turm und eventuelle Diäten der Frau Daniels bleiben der Leserin erspart. Nebenbei: Nur eine Frau kann darüber erstaunt sein, daß es in militärischen Organisationen verbreitet physische Probleme durch Bewegungsmangel gibt - das wäre doch noch ein Grund gewesen, sich nicht in dieses thematisch fernstehende Gebiet vorzuwagen.

Die Story beginnt damit, daß Major Daniels auf dem Antennendom ihres Turmes Ausschau nach einer Gewitterfront, die ihr von ihren Geräten vorgegaukelt wird, hält. Dieses Bild ist lachhaft - so mag man sich die Arbeit einer Meteorologin im Vorschulalter vorstellen. Es fehlen nur noch Feldstecher, Feldhygroskop und Schleuderthermometer. Ist diese High-Tech-Wetterstation nun mit besseren Instrumenten zur Wetteraufklärung ausgestattet, oder ist sie es nicht? Die Erklärung, die gegen Ende der Geschichte für dieses Phantomgewitter gegeben wird, entbehrt ebenfalls jeder Plausibilität - doch dazu kommen wir später.

Da sich dieses Phantomgewitter mit bloßen Augen nicht feststellen läßt, besteigt Daniels einen ihrer in konvenienter Weise in doppelter Ausführung vorhandenen 'Duocopter', um nach Wild-West-Manier den Ort des geheimnisvollen Geschehens aufzusuchen. Man fühlt sich an eine Sequenz aus 'Doktor Strangelove' erinnert, und es fehlt auch nicht viel, daß sie sich einen Stetson aufsetzt - Frau Playton verschont die Leserin aber mit derartigen Plagiaten - jedenfalls an dieser Stelle.

Dafür muß die Leserin sich über die technische Substanz dieser 'Duocopter' (vermutlich vergebliche) Gedanken machen. Wir kennen solche Maschinen in der gegenwärtgen Realität irdischer Militärtechnologie nicht. Konventionelle Elemente 'knatternde Rotoren' vermischen sich mit High-Tech-Elementen (Computeranbindung dieses Fluggerätes). Über Antrieb und Energiequelle erfahren wir nichts. Es ist merkwürdig: Es wird davon geredet, daß Menschen den Sprung über Tausende von Lichtjahren technologisch geschafft haben - aber für den Himmel ferner Planeten ist offenbar die Zweitakter-Technologie des ausgehenden zwanzigsten Jahrhunderts gut genug. Daß dieser naive Level physikalischer Allgemeinbildung bei einer SF-Autorin immer noch möglich ist, stimmt verdrießlich: Asimov mußte sterben, und die Playton lebt.

Es kommt, wie es kommen muß. Am Ort des Schein-Gewitters stellt Frau Daniels noch einmal fest, daß es dort tatsächlich kein Gewitter gibt. Wahrscheinlich hätte man dort einige Handlungsstränge einsparen können, aber über das schriftstellerisch-handwerkliche Können der Frau Playton haben wir oben ja schon einiges gesagt. Man kann dafür dankbar sein, daß Frau Playton von dieser Stelle der Geschichte an annimmt, daß die Leserin die Information 'kein Gewitter' gefressen hat - wir werden mit weiteren derartigen Hinweisen fürderhin verschont.

Bei der weiteren Investigation dieser unerklärlichen Erscheinungen bricht Major Daniels die Verbindung zum Turmrechner ab, was bei der Leserin zwangsweise die Erkenntnis auslöst: Die Autorin wird nun auch noch ihre rudimentäre Halbbildung in Rechnertechnik gestalterisch ausformulieren. Diese Erkenntnis erweist sich im Folgenden als richtig: Die Verbindung zum Turm kann nicht wiederhergestellt werden, ja schlimmer, der Turm - oder die Wetterstation, die Bezeichnungsweise ist uneinheitlich - beginnt, das Fluggerät der Frau Daniels als feindlich zu betrachten - aber nicht immer - nur dann, wenn es der Autorin gerade mal paßt.

Wir müssen annehmen, daß Frau Playton sich irgendwann einmal selbst durch Vergessen eines Paßwortes aus einem Rechnersystem ausgesperrt hat. Aber daß dieses für einen Menschen eine so traumatische Erfahrung ist, daß man daraus gleich eine so weit hergeholte Geschichte machen muß, ist auch für uns neu - und wir sind von Möchtegern-Autoren weiß Gott einiges gewöhnt.

Der naheliegende Schluß (für die Autorin - sonst haben wir niemanden gefunden, für die dies ein naheliegender Schluß wäre) ist nun, mit diesem Duocopter zum Turm zurückzufliegen, um dort nach dem Rechten zu sehen. Warum man nicht gleich dortgeblieben ist, bleibt (Frau Playtons) Geheimnis. Die Phantomgewitter werden nun zu einer sehr sekundären Angelegenheit und werden nicht weiter erwähnt. Dafür muß Major Daniels sich vor den SAM-Stellungen vorsehen, die Frau Playton wahrscheinlich erst zu diesem Zeitpunkt eingefallen sind. - Überhaupt sind es immer die unpassendsten Dinge, die Frau Playton einfallen: Was soll das Edgar-Allan-Poe-Zitat, als der Turm in Sicht kommt?

Als ob die Aufnahmefähigkeit der Leserin bis zu diesem Zeitpunkt nicht schon genug strapaziert worden wäre, belegt Frau Playton, daß der Begriff 'weit hergeholt' durchaus komparativ-fähig ist. Sie landet auf dem Turm der Wetterstation, der für die dafür benötigte Zeit freundlicherweise nicht auf sie schießt. Ebenso zeigt der zweite, vom Turm ferngesteuerte Duocopter, der, ganz plötzlich, am Ort des Geschehens auftaucht, vornehme Zurückhaltung. Das ändert sich jedoch, als Major Daniels endlich festen Fußes auf dem Antennendom des Turmes steht. Beide Duocopter entscheiden sich, aufeinander zu schießen. Dadurch sind sie beide aus dem Spiel, und für die Protagonistin ergibt sich das Problem, vom Turm herunterzukommen.

Wahrscheinlich hat sich Frau Playton diesen Handlungsstrang ausgedacht, um eine haarsträubende Kletterpartie in das Geschehen einbringen zu können. Die Frage ist nur: Warum vermeidet sie im weiteren Verlauf die Beschreibung derselben? Die Leserin erfährt praktisch nichts, bis Major Daniels auf festem Boden steht, außer, daß sie sich dabei in die Hose gemacht hat. Warum diese überflüssige, unappetitliche Einzelheit? Haben wir da einen Mitteilungsbedarf bezüglich bestimmter persönlicher Probleme, Frau Playton?

Die Geschichte nähert sich ihrem Ende (gut!) und ihrer Auflösung (nicht so gut.). Major Daniels betritt den Turm, bringt sich selber wieder in eine präsentable Verfassung und fängt unverzüglich an, den Phantomgewittern nachzugehen, weil sie 'einen Verdacht' hat. Was am Anfang der Geschichte völlig unmöglich war, jetzt gelingt es scheinbar mühelos. Die Phantomgewitter erweisen sich als Artefakte eines Trojanischen-Pferd-Programmes, dessen einziger Zweck es ist, die diensttuenden Offiziere auf derart entlegenen Militärstellungen gelegentlich trainingshalber zu rudimentärer intellektueller Aktivität zu bewegen.

Die Geschichte schließt mit einigen nichtssagenden Hinweisen auf gesunkene Karriere-Chancen in einer nicht näher spezifizierten Zukunft - was die Leserin zu diesem Zeitpunkt schon nicht mehr interessiert - und über verlorene Pfunde - was schon gleich gar niemanden interessiert.

Zurück bleibt die verwirrte Leserin mit dem vergeblichen Gedanken: Was will uns Frau Playton mit dieser Geschichte sagen? Will sie überhaupt etwas sagen? Oder ist es nicht vielmehr so, daß sie nichts zu sagen weiß, und daß ihr das Anlaß genug ist, dieses auch zu Papier zu bringen?

Dieses erschließt sich der Leserin nicht leicht. Ein Weg, mehr darüber in Erfahrung zu bringen, ist, auch die anderen Geschichten in dem Büchlein zu lesen. Die Hoffnung, daß dies ein sinnvolles Unterfangen ist, wird dadurch genährt, daß der Heise-Verlag in der Vergangenheit durchaus gezeigt hat, Publikationen, die Hand und Fuß haben, auf den Markt bringen zu können. Die durch die erste Geschichte gesetzten trüben Anfangserwartungen können ja eigentlich nur noch übertroffen werden.

Wir wollen aber die weiteren Geschichten nicht in derselben Ausführlichkeit abreißen wie wir es mit 'Wetterstation' getan haben - der Grund wird alsbald nur allzu klar werden.

Der Titel der zweiten Geschichte ist 'Toilette', und die Leserin, die noch unter der Wirkung der ersten Geschichte steht, könnte befürchten, daß das Thema 'vollgeschissene Hosen' noch elaboriert wird. - Keine Angst. So schlimm wird es nicht.

Es wird noch viel schlimmer.

Wir befinden uns schon wieder auf Balmer's Planet, Ort der Handlung ist schon wieder diese isolierte Wetterstation, und die Protagonistin heißt schon wieder 'Major Dr. Sabine Daniels'. Auch der schon gegen Anfang der Geschichte erwähnte persönliche Hintergrund der Frau Daniels ist aufs Wort genau derselbe wie in 'Wetterstation'.

Wir lernen daraus, daß Frau Playton weiß, wie man die 'Kopieren'-Option ihres Wortprozessors benutzt, nicht aber, wozu 'Suchen und Ersetzen' gut sein mag.

Zeitpunkt der Handlung ist unmittelbar nach Dienstantritt von Major Daniels auf Balmer's Planet. Das Ablösungsschiff ist soeben gestartet und im Hyperraum verschwunden - Hyperraum! Engültig gibt Frau Playton hiermit ihr Vergangenheit als ehemalige Perry-Rhodan-Leserin zu. Vielleicht erklärt das manches.

Die Protagonistin verspürt den Drang, zur Toilette zu gehen. Damit begibt sich die Story in die Regionen unterhalb der Gürtellinie - und bleibt dort.

Zunächst ergibt sich das völlig unplausible Problem, in diesem ihr unbekannten Turm die Toilette überhaupt zu finden. Der Zentralrechner, der die Turmgrundrisse kennt, verrät ihr diese nicht, da er überlastet ist (warum?). Dann findet Major Daniels die Toilette durch einfaches Suchen - Warum eigentlich nicht gleich so?

In dieser Story ergibt sich für Frau Playton das handwerkliche Problem, den während der ganzen Handlung ansteigenden Harndrang zu beschreiben und als ständiges Wissen im Hinterkopf der Leserin zu halten. Sie entledigt sich dieses Problemes, indem sie es einfach nicht löst. Die immer wieder in den Text eingestreuten Bemerkungen '... und sie muß so dringend ...' langweilen und unterbrechen den Handlungsablauf völlig überflüssigerweise.

Bei den Toiletten dieses Turmes handelt es sich um sogenannte Zero-G-Toiletten, die auch unter Schwerkraft benutzt werden können. Als High-Tech-Geräte haben diese Einrichtungen natürlich eine Computersteuerung, und dieser dedizierte Computer hat natürlich ein Betriebssystem. Problem ist, daß das Betriebssystem nicht da ist - es ist gerade eben ausgetauscht worden.

Es beginnt eine Lauferei. Ein Funkspruch zum Ablösungsschiff, das in konvenienter Weise gerade doch noch nicht in den Hyperraum eingetaucht ist, bringt Klarheit, wo sich die Chips mit dem Betriebssystem für die Toilette befinden - nämlich im unteren Hangar, in den Containern, die das Ablösungsschiff dort deponiert hat.

Als sich Major Daniels wenig später mit zusammengekniffenem Blasenschließmuskel durch die Packungslisten der Container wühlt, muß die Leserin eine der unglaubwürdigsten Sequenzen des ganzen Buches schlucken: Wieso geht sie nicht einfach die paar Meter in den Wald, um sich dort Erleichterung zu verschaffen? Major Daniels verwirft diesen Gedanken aus ökologischen Gründen - warum ein einziges Mal Pinkeln einem planetenumspannenden Wald schaden könnte, während dem Bau der Wetterstation keine ökologischen Gründe entgegenstanden, das erfährt die Leserin nicht. Immer dann, wenn Unlogik zu offenbar und unübersehbar wird, verweist Frau Playton auf die 'unerforschlichen Dienstvorschriften der Flotte', o. ä. Machen wir es uns da nicht etwas zu einfach, Frau Playton?

Dann folgt die Beschreibung der Versuche, diese Toilette zur Kooperation zu überreden - und nichts weiter als das. Kenner des Buches '2001 - Odyssee im Weltraum' von A.C. Clarke werden eine Aussage über Zero-G-Toiletten wiedererkennen, die Frau Playton ohne jede Modifikation wortwörtlich übernommen hat. Die Modusunterscheidung - Betrieb unter Schwerelosigkeit - Betrieb auf einem Planeten unter Schwerkrafteinfluß - wird in ermüdender Ausführlichkeit beschrieben, bloß, um nachher halbwegs plausibel einige unbeabsichtigte Schwenks der ganzen Toilettenkabine begründen zu können. Die Genauigkeit fördert die Unglaubwürdigkeit: Wieso braucht eine Toilette die geographischen Koordinaten des Aufstellungsortes, um die Richtung zum Mittelpunkt des Aufstellungsplaneten zu ermitteln? Fallen da nicht jeder Feld-Wald-Wiesen-Physikerin oder -Ingenieurin auf Anhieb einfachere Methoden ein?

Es kommt, wie es kommen muß und wie es jede Leserin - und Kennerin dieser Autorin - vorausgesehen hat: Die beabsichtigte Benutzung der Toilette gelingt irgendwann doch, dann jedoch, beim Verlassen derselben, macht die Toilette noch einen letzten, finalen Schwenk zurück in die Null-Lage, was zu erheblichen Verschmutzungen der Benutzerin führt. Der letzte Satz '... fühle mich so beschissen ...' ist ein völlig überflüssiges Wortspiel. Man hat es kommen sehen.

Diese Story ist absolut überflüssig und unappetitlich - die typische Playton'sche Dramatik. Welcher Leserkreis sollte sich ernsthaft an dieser dümmlichen Fäkal-Rhetorik und abgestandenen Kasernenhof-Prosa im High-Tech Gewand delektieren? Welcher Teufel hat Sie geritten, sowas Unerfreuliches und Widerliches zu schreiben, Frau Playton?

In der nächsten Story, 'Die Schatzinsel', begegnet uns, völlig überraschend und unerwartet, Frau Major Doktor Sabine Daniels auf einer Wetterstation auf Balmer's Planet. Entweder, all diese Geschichten sind zur alternativen Verwendung geschrieben worden, oder Frau Playton hat sich dabei irgend etwas ganz Geniales gedacht. Wenn doch nur die Leserin davon erführe! - Die Beschreibung der persönlichen Umstände, des Dienstes und des Turmes kann man aus naheliegenden Gründen überlesen.

Der Titel suggeriert etwas mit Segelschiffen und Piraten. Wenn die Leserin gespannt darauf ist, wie Frau Playton es schafft, in diesem Ambiente Segelschiffe unterzubringen, so wird diese Erwartung nicht erfüllt - sie schafft es nicht. Aber Piraten kommen vor. Ein Raumschiff landet, ganz überraschend, in der Nähe des Turmes, und die Absicht dieser Leute ist, etwas von der Militärtechnologie dieses Turmes an sich zu bringen. Warum der Turm als Militärbasis sich nicht wehrt, oder warum Major Daniels dies nicht in die Wege leitet, bleibt weitgehend ein Geheimnis von Frau Playton. Auch warum auf diesem entlegenen Planeten überhaupt eine Militärbasis vermutet wird, die man gefahrlos plündern könnte, wird nicht erklärt - unsere Vermutung ist, daß der Frau Playton in Wirklichkeit gar nicht klar ist, um was für ein entsetzlich großes Ding es sich bei 'dem Universum' handelt, und wieviele Sonnensysteme mit Planeten darinnen zu finden sind.

Die Beschreibung dieser 'Piraten' trieft von allen Klischees, die einem bei diesem Wort einfallen. Sie bringen den Turm unter einem Vorwand, den schon ein Kind im Vorschulalter nicht geglaubt hätte, in ihre Hände und Major Daniels in ihre Gewalt. Es bahnt sich eine unschöne Vergewaltigungsszene an, aber nachdem Frau Daniels vortäuscht, an einer unheilbaren Infektionskrankheit zu leiden, nehmen die Piraten, die das auch sofort glauben, von diesem Vorhaben Abstand, ja, zeigen sogar sympathische Züge. Aber die SAM-Raketen des Turmes und die Duocopter wollen sie immer noch haben, und sie nehmen sie sich auch.

Während der Verladearbeiten gelingt es Major Daniels, die Sprengköpfe der SAM-Raketen umzuprogrammieren. Von diesem Moment an weiß eigentlich jede Leserin, wie die Geschichte ausgeht: Als das Piratenschiff den freien Raum erreicht, detonieren die Sprengköpfe im Rumpf des Piratenschiffes, und 'in diesem Teil der Galaxis zieht wieder Frieden ein.'.

Noch weniger Originalität ist in einer Kurzgeschichte dieser Art einfach nicht zu erreichen.

Im Gegensatz zu Frau Playton wird der aufmerksamen Leserin vielleicht auffallen, daß die Vorschriften der Flotte über die Bewahrung der Ökologie von Protektoratsplaneten, die weiter oben das Urinieren in den Wald verboten haben, jetzt durchaus mit dem Zünden von Fusionssprengkörpern in der Hochatmosphäre kompatibel sind. Aber wir wollen darüber hinwegsehen, da es ja durchaus möglich ist, daß in verschiedenen Geschichten verschiedene Vorschriften zur Anwendung kommen.

Der Titel der nächsten Story verspricht mehr Originalität: 'Revision'. Man darf gespannt sein. Nicht auf die Anfangsbedingungen - die kennen wir schon. Kann man 'Sabine' nicht wenigstens durchdeklinieren, ihr ein anderes Alter oder einen anderen Dienstgrad geben? Muß es immer eine Meteorologin sein? Warum nie eine Geologin, eine Astrophysikerin oder - wenn schon alles in einen militärischen Kontext gesetzt wird - einfach ganz zweckfrei ein Offiziersdienstgrad, ohne Wenn und Aber? Oder noch revolutionärer - und für Frau Playton vielleicht jenseits aller Machbarkeit - einen Mann als Protagonisten?

Diesmal hat Frau Daniels aber einen Hund. Da sie in all den anderen Geschichten keinen Hund hatte, weiß man eigentlich sofort, daß Frau Playton sich dabei etwas gedacht haben muß - ohne daß das einen Grund hat, macht die sich nicht die Mühe, eine so wesentliche Handlungsvariation einzuführen. Insbesondere, weil man sehr schnell merkt, daß sowohl Frau Playton als auch ihre Protagonistin, Frau Daniels, keine übertriebene Affinität zu einem Haustier haben können. Die Beschreibung dieses Hundes ist farblos. Der zerkaut nichts, der bellt nicht im unpassenden Moment, der riecht nicht bei Regen und ist stubenrein. Wir erfahren nicht einmal die Rasse oder das Geschlecht des Hundes. Der ist so gut wie gar nicht vorhanden.

Um sich den Hund auszudenken und in die Story einzuführen, muß Frau Playton schwer mit sich gerungen haben.

Ein Schiff einer Nachschub-Einheit hat sich angesagt. Das bedeutet Ausrüstungsappell. Ist die gesamte Ausrüstung des Turmes noch vorhanden und in einsatzfähigem Zustand? Um das sicherzustellen, muß Major Daniels diesen Appell selbst vorwegnehmen - das heißt, mit Ausrüstungslisten durch alle Sektionen des Turmes laufen, zählen, ankreuzen und vergleichen. Dabei trifft sie auf einen Eintrag 'Offund'.

Bei diesem Wort schrillten bei uns Rezensentinnen die Alarmglocken. Es gibt eine SF-Story 'Der Offund' von einem gewissen Eric Franck Russell, mittleres 20. Jahrhundert. Wir fanden diese Geschichte in unserem Archiv und verglichen.

Die Playton hat von vorne bis hinten abgeschrieben!

Der Fortgang der Geschichte läßt sich ohne große Schwierigkeiten auf das Original abbilden. Dem Eintrag 'Offund' entspricht kein identifizierbarer Gegenstand. Damit es bei der Revision keine Schwierigkeiten gibt, entschließt sich Major Daniels, einen Offund zu bauen - oder jedenfalls etwas, das so aussieht. Irgendwelche Ersatzteile - Skalen, Lampen - lassen sich auftreiben, und sie verläßt sich darauf, daß der Nachschuboffizier, der den Appell abhalten wird, auch nicht so genau weiß, was ein 'Offund' wirklich ist.

Das Nachschub-Schiff landet, der Appell findet in der vorgesehenen Weise statt. Die Szene, wo der Offund dem Nachschuboffizier vorgeführt wird, ist fast wörtlich von Russell übernommen worden.

Nach Verschwinden des Nachschubschiffes wird wieder hoher Besuch angekündigt (ganz schön viel Verkehr in jenem entlegenen Teil der Galaxis!). Diesmal handelt es sich um ein Werftschiff. Der ganze Turm der Wetterstation soll überholt und neu ausgerüstet werden - so wenig notwendig dieses bei einer derart gut ausgerüsteten Wetterstation ist, die zudem nicht wirklich als solche gebraucht wird.

Da man den Spezialisten der Werftbetriebe kaum etwas vormachen kann, entschließt Major Daniels sich, den 'Offund' verschwinden zu lassen. Schließlich befindet man sich auf einem unbewohnten und wilden Planeten, der viele Gefahren birgt. Eine davon hat den 'Offund' erwischt. Ein Funkspruch geht raus (wie? handelt es sich um den 'Perry-Rhodan'-Hyperfunk?), in dem erläutert wird, daß der Offund 'durch die Einwirkungen eines antipodalen, retrograden Gewitters spontan disintegrierte'. Man merke auf: Dieses ist eine der wenigen Stellen, wo die Meteorologin Daniels etwas, was fachlich entfernt mit Meteorologie zu tun hat, von sich gibt - und es handelt sich um ausgemachten Blödsinn.

Wie in Russell's Story gibt es plötzlich einen allgemeinen Alarm für die Flottenstreitkräfte des Imperiums (wo kommen die plötzlich her? Es wird immer verkehrsreicher in diesem entlegenen Winkel der Galaxis!) - Quarantäneanweisungen und Bereitschaftspläne werden ausgegeben, allgemeine Kampfbereitschaft wird befohlen. Kurze Zeit später fordert das Hauptquartier der imperialen Flotte genauere Informationen darüber an, wie es sein konnte, daß der 'Offizielle Stationshund' durch die Einwirkungen eines antipodalen, retrograden Gewitters spontan disintegrieren konnte.

Die Situation für Major Daniels ist zweifellos genauso verfahren wie das in Russell's Originalstory für den kommandierenden Offizier McNaugth der 'Bustler' der Fall ist. Im Gegensatz zu Russell verschweigt uns Frau Playton jedoch, wie es zu dieser schwerverständlichen Eintragung 'Offund' anstatt 'Offizieller Stationshund' kommen konnte - einen französisch sprechenden Koch, dessen Aussprache bei der primären Inventarisierung Ursache dieses Mißverständnisses war, gibt es auf dem Turm nämlich nicht. Das ist Frau Playton wahrscheinlich erst nach Fertigstellung der Geschichte aufgefallen.

Oder wurde der französische Koch absichtlich weggelassen, um den Plagiatsvorwurf zu entkräften?

All das wäre ja legitim gewesen, wenn man in einer Fußnote die 'Leihgaben' anderer Autoren identifiziert hätte, so, wie es Frau Playton selbst bei zweien ihrer Frühwerke gemacht hat ('Ein Vorfall', 'ADA_ULTIMA', beide C'T, 20. Jahrhundert). So aber kann man nur sagen: Pfui.

Es folgen noch einige weitere Geschichten. Das Thema 'Wetterstation' wird gründlich durchvariiert, der Verbrauch an gleichaltrigen Meteorologinnen ist recht hoch, der Ideen-Verbrauch jedoch weniger. Wir werden uns und den Leserinnen einen weiteren Überblick ersparen - bis auf den letzten Beitrag in 'Wetterstationen'. Dieser nämlich besteht aus einer Kritik der anderen, vorhergehenden Geschichten. Die Leserin muß sich zu allem Überdruß noch durch die Verrisse dieser Stories kämpfen.

Wenn man jedoch das Buch von hinten ließt, wird man diesen Text (also diesen hier) zuerst zu Gesicht bekommen, und die einsichtige Leserin wird an dieser Stelle das Buch aus der Hand legen können, ohne die eigentlichen Geschichten zu lesen und so weiteren seelischen Schaden zu nehmen.

Für diesen Einfall gebührt Frau Playton unser tiefempfundener Dank. Noch besser allerdings wäre ein Verweis ganz am Anfang des Buches gewesen - es gäbe dann mit Sicherheit niemanden mehr, die dieser Autorin nach Lektüre aller Geschichten wünscht, sie möge 'unter Einfluß eines antipodalen, retrograden Gewitters spontan disintegrieren'.


Name der Rezensentin ist der Redaktion bekannt


© 1996 .. 1999 Josella Simone Playton 1997-07-28 19:59:59 MESZ
© 1996 .. 1999 Josella Simone Playton 1999-07-02 16:59:59 MESZ


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